Zwischen Trump, Null-Bock-Tagen und “Robin Hood des Talents”

Warum Unternehmen dringend einen Persönlichkeits-Check brauchen
Between Trump, zero-motivation-days and the “Robin Hood of talent” - Why companies urgently need a personality check

Donald Trump wird der nächste US Präsident. Und in den Sozialen Netzwerken wird das Konzept der „Null-Bock-Tage“ diskutiert. Das sind Tage, an denen Mitarbeitende freigestellt sind, ohne dass sie sich krank melden oder Urlaub nehmen müssen.

Zwei Themen, wenngleich unterschiedlicher Dimension, die für mich in einer These münden: Unternehmen müssen sich endlich konsequent ihrer Verantwortung stellen! Für die Menschen, die für sie arbeiten, aber auch gesamtgesellschaftlich. Sie brauchen einen unverblümten „Persönlichkeits-Check“, um ihre Rolle in diesen bewegten Zeiten zu finden, um Lösungen zu entwickeln, die ihre Zukunft sichern, und um Menschen für sich und freiheitlich-demokratische Gesellschaften zu begeistern, von deren Fortbestehen am Ende auch ihr eigener Erfolg maßgeblich abhängt.

Hier kommt mein Vorschlag für ein „Assessment für Unternehmen“ in diesen bewegten Zeiten:

1. Wer wollt ihr sein?

Fragt euch fernab von New-Work-Buzzwords, wofür ihr stehen möchtet, welchen Beitrag ihr für diese Welt leisten möchtet, inwiefern ihr das Leben auf diesem Planeten besser macht und wie ihr eure Arbeit ganz konkret gestalten wollt. Ob Null-Bock-Tage oder mehr Bock auf Arbeit, klar ist: Das Hamsterrad ist kein innovativer Ort. So formuliert es der Arbeitsforscher Hans Rusinek sehr treffend. Der Journalist Sebastian Klein findet noch drastischere Worte: „Wer will heute noch seine Arbeitskraft in Unternehmen stecken, die unter kriegsähnlichen Bedingungen wirtschaften?“. Wir brauchen eine Neudefinition von unternehmerischem Erfolg, die über Umsatz und Gewinn hinausgeht und die Verantwortung für Mensch, Gesellschaft und Umwelt einschließt.

Der eine oder die andere hat auf LinkedIn eventuell schon gesehen, dass sich mit der „School of Moral Ambition“ gerade eine neue Bewegung formt. Diese möchte gezielt Talent von Unternehmen abziehen, die Raubbau an den Menschen und an unserem Planeten betreiben. Sie nennen sich auch die „Robin Hoods des Talents“. Schon kurz nach Bekanntwerden haben sich hunderte Menschen angeschlossen; namhafte Gründer:innen werben für die Initiative, die gerade in diesen Tagen den Nerv vieler Menschen treffen dürfte.

Unternehmen brauchen jetzt den Mut, in den Spiegel zu schauen, einen konsequenten Paradigmenwechsel zu vollziehen, die eigene Produktpalette zu hinterfragen und etwas Neues, Besseres im Sinne einer lebenswerten Zukunft zu präsentieren.

2. Wie wollt ihr führen?

Ich zitiere noch einmal Hans Rusinek , der sagt, dass die Macht eines Chefs oder einer Chefin für uns viel präsenter ist als die eines Staates. Unternehmen prägen die Menschen, die für sie arbeiten. Führungskräfte tragen gerade in Zeiten großer Unsicherheit, in der viele Menschen nach vermeintlich einfachen Lösungen suchen oder sich in die Vergangenheit zurücksehnen, große Verantwortung. Ihnen obliegt es, Orientierung zu geben. Sie sind Richtungs- und Wertekompass.

Dr. Hans W. Hagemann von der Munich Leadership Group, hat ein sehr schönes Bild dafür gefunden (das ganze Interview mit ihm verlinke ich weiter unten). Er sagt:

“Es kommt allein darauf an, ob das Geschehen um uns herum als Bedrohung oder als Chance wahrgenommen wird. Und darauf haben Führungskräfte den entscheidenden Einfluss. Stell dir vor, du fährst als Elternteil mit deinen drei kleinen Kindern auf den Rücksitzen durch dichten Nebel, du siehst die Hand vor Augen nicht. Natürlich hast du Angst. Aber du kannst damit umgehen, indem du die Geschwindigkeit anpasst, die Nebelscheinwerfer nutzt und ganz besonders aufpasst. Was ist nun mit den drei kleinen Kindern? Du kannst ihnen natürlich sagen, dass du Angst hast und du jederzeit auf einen Aufprall vorbereitet bist. Dann wirst du das Geschrei auf den Rücksitzen wahrscheinlich nicht mehr unter Kontrolle bringen. Du könntest aber auch auf das Navi zeigen, ihnen sagen, dass es in fünf Kilometern eine Tankstelle gibt, wo ihr erstmal eine kleine Pause mit Popcorn macht. Die Situation ist dieselbe, du hast die Wahrheit gesagt, du hast Orientierung gegeben, und es geht weiter. Es wird in Zukunft darum gehen, mit diesen wahrscheinlich wachsenden Unsicherheiten konstruktiv umzugehen.”

Apropos Führung

Gute Führung heißt auch, ein Umfeld der Psychologischen Sicherheit zu schaffen. Dafür müssen Ziel, Sinn und Zweck der Zusammenarbeit klar sein (siehe Punkt 1). Statt alle Antworten zu kennen, sollten Führungskräfte eine neugierige, fragende Haltung einnehmen. Sich im besten Sinne verletzlich geben im Sinne eines „Vulnerable Leadership“. Dazu gehört es, den Mitarbeitenden zuzuhören, einen geschützten Raum für Ideen und Vorschläge ebenso wie für Kritik und Bedenken zu geben. „Voranscheitern“ nennt es der Autor und Speaker Sascha Lobo: ausprobieren, hinfallen, aufstehen, besser machen. Das geht jedoch nur in einem Umfeld, das von Wertschätzung und Aufrichtigkeit lebt. Führungskräfte haben es in der Hand, ein solches zu fördern.

Der HR-Branchenanalyst Josh Bersin sagt zurecht, dass von allen HR Investments Leadership Development den größten Wert hat. Zumal Leadership Skills nicht mehr nur an der Spitze von Unternehmen gefordert sind, sondern angesichts flacher Hierarchien in vielen Unternehmen auf allen Ebenen gefordert sind. Die Auswahl der richtigen Personen für diese Schlüssel-Positionen ist wichtiger denn je. Eine der größten Studie zum Thema “Narzissmus” weltweit, die wir durchgeführt haben, zeigt, dass junge Menschen heute narzisstischer sind als frühere Generationen. Spätestens bei der Besetzung von Führungspositionen kann das zum Problem werden. Unternehmen sollten sich dessen bewusst sein und sich mit fundierten Persönlichkeitstests absichern.

3. Was bedeutet Produktivität?

Gute Führung beinhaltet auch, Freiräume zu schaffen, die es ermöglichen, aus dem Hamsterrad auszubrechen und über gute Lösungen nachzudenken. Diese Freiräume, diese Phasen des Nicht-Abarbeitens, des Nachdenkens, des Plauderns an der Kaffeemaschine müssen selbstverständlicher Teil der Kernarbeitszeit sein. Bei einem Spaziergang mit einem Kollegen entsteht nicht nur sozialer Kontakt (der für sich genommen stabilisierend auf demokratische Gesellschaften wirkt), sondern potenziell auch konstruktive Reibung und damit Raum für neue Lösungen. Das Richtige zu tun kann auch mal bedeuten, nichts zu tun, innezuhalten, zu reflektieren und zu verwerfen, statt in einem Meeting zu sitzen oder eine Powerpoint-Präsentation für ein Produkt zu bauen, das sich bei näherer, ungehetzter Betrachtung als sinnlos erweisen würde.

Mit einem solchen Grundverständnis von dem, was Arbeit ist, würde auch die Diskussion um „Mehr Bock“ oder „Null-Bock-Tage“ obsolet. Abgesehen davon, dass ein zeitgemäßer Führungsstil beinhalten sollte, dass Praktiken hinterfragt und abgeschafft werden, die erwachsenen Menschen nicht würdig sind, wie Mikromanagement und die Frage danach, wie sie ihre Zeit verbracht haben.

Fazit

In einem gesellschaftlichen Klima, das in weiten Teilen von Frust, Angst und Resignation geprägt ist, brauchen wir Unternehmen, in denen ein „Klima des Muts“ vorhanden ist. Die mit Innovationsfreude und wertschätzender Führung neue Maßstäbe setzen, wie wir Zukunft verhandeln und gestalten. Immer mehr gut qualifizierte Menschen werden sich sehr wahrscheinlich für solche Organisationen entscheiden, wenn sie die Wahl haben. Jetzt ist die Zeit für Unternehmen, sich den Spiegel vorzuhalten und ihren ganz eigenen Persönlichkeits-Check zu machen. Kein Sugar Coating und Greenwashing mehr. Jetzt ist echte Verantwortung gefragt.

(Das ganze Interview mit Dr. Hans W. Hagemann von der Munich Leadership Group findet ihr auf unserem Blog.)

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