1 von 700 reicht nicht!
Drei Viertel der Unternehmen haben in den vergangenen Jahren angekündigt, Kandidat:innen stärker nach ihren tatsächlichen Fähigkeiten und Kompetenzen statt nach formalen Abschlüssen zu beurteilen. Die Harvard-Studie „Skills-Based Hiring: The Long Road from Pronouncements to Practice“ zeigt jedoch eine deutliche Diskrepanz zu den Versprechungen: Von allen Neueinstellungen im Jahr 2023 war weniger als eine von 700 das Resultat aufgehobener Abschlussanforderungen.
Diese Zahl ist kein Rückschlag, sondern ein Spiegel: Sie macht deutlich, wie viel Potenzial ungenutzt bleibt – und wie viel Wachstum möglich wird, wenn Unternehmen Persönlichkeit und Fähigkeiten tatsächlich konsequent in den Vordergrund rücken.
Die Forschung der Harvard Business School und des Burning Glass Institute zeigt auch eindrucksvoll, wohin die Reise gehen kann. Die Unternehmen, die den Wandel bereits vollzogen haben – die sogenannten “Leaders”, rund drei Prozent des Marktes – rekrutieren 18 % mehr Bewerber ohne akademischen Abschluss für Rollen, die zuvor einen verlangten. Vor allem erzielen sie eine deutlich höhere Qualität ihrer Hires und höhere Retention-Raten. Joseph B. Fuller (HBS) betont, dass die bloße Änderung von Stellenanzeigen nicht ausreicht. Es brauche ein Umdenken bei Hiring Manager:innen, in der Unternehmenskultur und in den Einstellungsprozessen. Die entscheidende Erkenntnis: Transformation entsteht nicht aus besseren Absichten, sondern aus besseren Systemen.
Persönlichkeit frühzeitig im Prozess analysieren
Der erste Schritt für skillbasiertes Recruiting, welches das tatsächliche Potenzial einer Person sichtbar macht, liegt darin, technologisch gestützte Persönlichkeitsdiagnostik frühzeitig im Prozess einzusetzen. Ob vor, während oder nach dem CV-Screening: Ziel ist, Denkweisen, kognitive Fähigkeiten, Charakterzüge und damit verbunden konkrete Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten datenbasiert zu erkennen, bevor menschliche Auswahlentscheidungen getroffen werden.
Outcome statt Biografie verstehen
Diese Veränderung gelingt nur, wenn zuvor definiert wird, was Erfolg in einer Rolle eigentlich bedeutet. Viele Unternehmen unterschätzen diese Phase. Anders die „Leader“-Unternehmen aus der eingangs erwähnten Studie: Sie fragen nicht, was Kandidat:innen mitbringen müssen, sondern was sie in der Rolle erreichen sollen. Das verschiebt den Fokus von formalen Anforderungen hin zum Outcome. Leitfragen fürs Recruiting ohne Lebenslauf sind z.B.:
- Welche Denkstile unterstützen langfristige Performance?
- Welche Persönlichkeitsmerkmale fördern Teamdynamik?
- Welche kognitiven Fähigkeiten ermöglichen schnelles Lernen?
Wer diese Fragen strukturiert beantwortet, öffnet den Blick für Talente, die traditionelle Prozesse nie erfasst hätten. Damit wird Recruiting ohne Lebenslauf möglich.
Fairness und Objektivität im Recruiting sicherstellen
Auch bei klaren Erfolgskriterien bleibt menschlicher Bias ein Hindernis. Wir bevorzugen unbewusst Menschen, die uns ähnlich sind. Wenn Unternehmen akademische Filter entfernen, aber keine objektiven Kriterien setzen, kann sich der Bias sogar verstärken.
“Leaders” begegnen dem mit konsequenter Struktur, darunter “Blind Recruitment” und standardisierte Bewertungsraster.
84 % der UK-Unternehmen geben offen zu, dass Unconscious Bias wirkt. Doch der Unterschied entsteht dort, wo diese Erkenntnis in Systeme übersetzt wird, die Potenzial sichtbar machen, statt Subjektivität zu verstärken.
Mit KI kompetenzbasiertes Recruiting skalieren
KI-Modelle, die auf Lebensläufen trainiert werden, reproduzieren zwangsläufig vergangenheitsbezogene Muster. Tools, die hingegen auf Persönlichkeits- und Performance-Daten basieren, eröffnen völlig neue Möglichkeiten. Natural Language Processing, das offene Antworten analysiert, erkennt Denk- und Kommunikationsmuster in einer Tiefe, die traditionelle Assessments nicht erfassen können. Für Unternehmen mit hohen Bewerbungsvolumina – insbesondere IT, Consulting und Finanzdienstleistungen – entsteht dadurch ein skalierbarer, objektiver und fairer Weg, Persönlichkeit und Potenzial sichtbar zu machen, ohne Qualität einzubüßen. KI wird damit nicht zum Entscheidungsträger, sondern zum Ermöglicher besserer menschlicher Entscheidungen.
Die 1-von-700-Lücke schließen
Unternehmen, die erfolgreich auf kompetenzbasiertes Recruiting umstellen, gehen systematisch vor:
- Recruiting Funnel-Analysen zeigen, wo die 1-zu-700-Lücke entsteht
- Pilotierung für einzelne Rollen mit Assessments und strukturierten Interviews
- Performance-Evaluation nach 6, 12 und 18 Monaten liefert belastbare Daten
- Ergebnisse statt Meinungen senken Skepsis gegenüber neuen Prozessen
- Validierte Assessments, geschulte Recruiter:innen, KPIs und Systeme sichern nachhaltigen Hiring-Erfolg
Messbarer Talentvorsprung
Bewerber ohne Abschluss in ehemals degree-pflichtigen Rollen erzielen im Durchschnitt eine zehn Prozentpunkte höhere Retention und erleben Gehaltszuwächse von 25%. Sie zeigen überdurchschnittliche Motivation, weil sie Chancen erhalten, die ihnen traditionell verwehrt geblieben wären. Für Unternehmen bedeutet dies: bessere Matches, stabilere Teams und Zugang zu Talenten, die der Wettbewerb weiterhin übersehen wird.
Unternehmen, die Persönlichkeit als wirtschaftlichen Wert begreifen, Potenzial als Zukunftswährung anerkennen und kompetenzbasiertes Recruiting so gestalten, dass nicht Biografie, sondern Wirkung entscheidet, werden im Wettbewerb um die besten Talente sehr wahrscheinlich sehr bald die Nase vorn haben. Die erfolgreichsten drei Prozent haben vorgemacht, wie es geht. Jetzt müssen Unternehmen entscheiden, ob sie zu den nächsten 30 % gehören wollen, die nachziehen.
Prof. Dr. Florian Feltes
Prof. Dr. Florian Feltes ist Mitgründer und Co-CEO von zortify und Vorreiter der KI-gestützten HR-Innovation. Gemeinsam mit seinem Team entwickelt er intelligente Persönlichkeitsdiagnostik und hilft Unternehmen so, die perfekten Kandidat:innen zu identifizieren – ohne teure Assessments, ohne Bias. Seine Vision: Eine Welt, in der jedes Unternehmen mühelos High-Performance-Teams formt und Arbeitsumgebungen schafft, die menschliches Potenzial vollständig entfalten.
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